Allgemeines zu “China-Böllern”
Ich weiß, einige Kravattenfunker werden nun die Nase rümpfen, wenn sie alleine das Wort “China” im Zusammenhang mit Funkgeräten hören. Doch denen sei zweierlei gesagt: Erstens ist Amateurfunk ein Experimentalfunk. Und mit China-Geräten als Ausgangsmaterial lässt sich ganz wunderbar basteln. Zweitens lassen auch die “namhaften” Hersteller in China fertigen, sodass am Ende quasi jedes Gerät ein “China”-Gerät ist. Die Frage ist nur, wer die Qualitätssicherung macht, was dann zugegebenermaßen bei Herstellern aus anderen Ländern oft weit besser funktioniert. Dennoch gibt es auch echte Schmuckstücke aus China.
Der enorme Vorteil von sogenannten “China-Böllern” ist jedoch der, dass chinesische Geräte technologisch und im Preis ganz vorne mitmischen. Während man bei “namhaften” Herstellern wie Icom antiquierte Nischentechnik wie D-Star erhält, kann man bei Chinesen eine breite Auswahl an DMR-Geräten bekommen. Und das zu einem Bruchteil des Preises, jedoch nicht zum gleichen Bruchteil der Qualität. Sicherlich sollte man nach Erhalt einmal die Ober- und Nebenwellen durchmessen und darf sich nicht allzu große Erwartung an den Empfang schwacher Signale direkt neben einem Radiosender haben (Stichwörter Selektivität, Empfindlichkeit und Großsignalstörfestigkeit). Aber für Basteleien sowie Relais- und HotSpot-Betrieb sind diese “China-Böller” unschlagbar. Und auch, wenn man immer mal ein Funkgerät auf Tasche oder im Handschuhfach zu haben, ohne allzu sehr in finanzielle Schwierigkeiten zu gelangen, wenn es mal abhanden oder kaputt geht.
Wie auch immer: Eine pauschale Ablehnung dieser “China-Böller” ist deplatziert.
Und ich habe mir jüngst zwei “China-Böller” zugelegt. Auf der einen Seite das Baofeng DM-1701, welches ich mit OpenGD77 geflasht habe und seitdem als schnelles DMR-Gerät verwende. Und auf der anderen Seite das Quansheng UV-K5(8), was ich mit IJV v3 geflasht habe und seitdem als “Hat man irgendwo dabei”-Gerät verwende.
Baofeng DM-1701
DMR entstammt dem Betriebsfunk und entsprechend sind DMR-Geräte oft sehr einfach, jedoch eingeschränkt in der Handhabung und werden am Computer mehr oder weniger aufwendig mit einem Code-Plug konfiguriert. Beispielsweise muss man für verschiedene Talkgroups auf verschiedenen Zeitschlitzen auf verschiedenen Relais stets die komplette Bandbreite der Kombinationen jeweils als einzelnen Kanal konfigurieren. Mal schnell eine neue TG anzusprechen oder im Urlaub ein anderes Relais zu nutzen, fällt meist nicht gerade aus der Tüte. Anders ist hier die alternative Firmware OpenGD77. Diese ist von Funkamateuren für Funkamateure entwickelt und hat entsprechend seinen Fokus nicht darauf, dass ein funktechnisch Unversierter bloß nichts versehentlich verstellt, sondern lässt dem Benutzer im Gegenteil größtmögliche Freiheit in der Bedienung. Hier lässt sich ratzfatz quasi alles verstellen, was man als Funkamateur spontan brauchen kann.
Das DM-1701 mit OpenGD77 hat mich mit Programmierkabel um die 54 € gekostet. Zwischenzeitlich sah ich jedoch auch Angebote für knapp 42 € inkl. Kabel. Es kostet mit 40 bis 55 Euro also lediglich ein Bruchteil der “namhaften” Geräte und muss sich hinter diesen nicht allzu weit verstecken. Die Empfangsempfindlichkeit empfand ich als ganz solide, die Haptik des Gerätes erstaunlich gut. Eine Messung der Ober- und Nebenwellen zeigte, dass sich zumindest mein Gerät durchaus innerhalb der Grenzen hält. Und falls das Gerät beim Basteln oder unterwegs einmal verlustig geht, tun 40 bis 55 Euro längst nicht so weh wie die 400 bis 600 Euro für Yaesu und Icom oder gar die 600 bis 800 Euro für Motorola oder Kenwood.
Quansheng UV-K5(8)
Das Quansheng UV-K5 ist ein einfaches FM-Walkie-Talkie, welches sich mit alternativer Firmware noch etwas aufbohren lässt in Sachen Funktionsumfang, Bedienkomfort und theoretisch auch abgedeckter Bänder. Praktisch ist letzteres aufgrund fehlender Filter bzw. Filterlücken nicht empfehlenswert, da hier nicht nur extrem kleine Sendeleistungen erzielt werden, sondern ggf. sogar die unerwünschten Aussendungen weit mehr Leistung haben als die gewählte Frequenz selbst. Auch die übrigen Bedingungen bis hin zur Anpassung der Antenne machen Out-of-Band-Aussendungen alles andere als empfehlenswert. Allerdings lässt sich hier zumindest rudimentär empfangen, was ja hier und da vielleicht ganz nützlich sein kann. So lässt sich beispielsweise der CB-Funk abhören oder auf 10m empfangen. Da das UV-K5 sich im Gegensatz zu den meisten “China-Böllern” bis hin zu den “namhaften” Geräten via USB-C aufladen lässt und nicht allzu groß ist, ist es das ideale Ersatz- oder Notfunk-Gerät. Denn hinzu kommt der Preis: Das Gerät ist für 20 bis 25 Euro zu haben!
Das UV-K5(8) bzw. UV-K6 aus den USA sind die leicht verbesserte Variante des UV-K5. Hier wurde entgegen anderslautender Gerüchte im Inneren nichts geändert, sondern am Gehäuse. Dies hat u.a. zur Folge, dass der Lautsprecher deutlich besser zu hören ist. Außerdem hat sich die Display-Farbe geändert. Im Innenleben sind die 3 Gerätevarianten zueinander identisch, sodass auch Firmware und Konfiguration untereinander austauschbar sind.
Es gibt Berichte, dass die Oberwellenunterdrückung ggf. nicht den gesetzlichen Normen von -60 dBc entspricht. Wobei hier die Schweiz, in der der Vertrieb des UV-K5 verboten wurde, höhere Anforderungen stellt als Deutschland, nämlich -70 dBc. Mein Gerät ist innerhalb von Deutschland gerade eben legal verwendbar, in der Schweiz sollte ich damit nicht unbedingt senden. Die USA mit ihren -40 dBc sind da natürlich fein raus.
Fazit
Die beiden Geräte bestechen vor allem durch ihr Preis/Leistungs-Verhältnis. Während “namhafte” Hersteller das 10-Fache für geringeren Funktionsumfang, jedoch ggf. höhere Qualität aufrufen, befinden sich die Geräte in einer Preisklasse, in der ein Verlust nicht sonderlich tragisch ist. Sie eignen sich daher besonders für raue Bedingungen, als Ersatz- und EDC-Gerät sowie für den Notfunk. Insbesondere das Quansheng UV-K5 ist durch seine Ladung über USB-C das ideale Notfunkgerät für VHF/UHF und je nach Notsituation auch als Brückengerät zum Jedermannfunk PMR446 und Freenet, denn in echten Notsituationen ist ein Kreuzbetrieb selbstverständlich erlaubt. Menschenleben stehen über unsinnigen Kommunikationsbeschränkungen. Das Baofeng DM-1701 besticht durch seine einfache Bedienung (nach Flashen einer alternativen Firmware) und kann auf FM ebenfalls vielseitig eingesetzt werden. Nur leider ohne Lademöglichkeit über USB-C.
Wer also ein Drittgerät sucht oder für DMR ein Einsteigergerät zum Schnuppern, der ist mit diesen beiden “China-Böllern” nicht unbedingt schlecht beraten. Und auch als Ausgangsmaterial zum Basteln eignen sich diese Geräte gut.