Gedanken zur Klasse N

Einführung der Klasse N

In Zeiten von Frequenzknappheit und wachsender Begehrlichkeiten durch Mobilfunkprovider wurde eine Amateurfunknovelle verabschiedet, die unter anderem eine „Einsteigerlizenz N“ einführt. Diese neue N-Klasse soll angeblich einen vereinfachten Einstieg in die Welt des Amateurfunks ermöglichen, hat nach meiner Meinung aber genau den gegenteiligen Effekt. Denn die N-Lizenz hat so gut wie keine Rechte und Mehrwert gegenüber dem Jedermannfunk, ist dafür aber sehr nachteilig zu erwerben und zu erhalten. Verschwörungstheoretiker könnten auf den Gedanken kommen, dass man damit den Amateurfunk marginalisieren und somit Frequenzbänder freischaufeln wollte (nein, das glaube ich nicht wirklich!).

Großer Aufwand beim Erwerb des N-Amateurfunkzeugnisses…

Bisher war die Klasse E die Einsteigerklasse. Die hierfür notwendige Prüfung bestand aus 3 Säulen: Den Grundlagen der Technik, den Betriebskenntnissen und den Vorschriften. Ersteres ist (für Klasse E!) für Personen, die nicht ihre Gnaden-Vier im Physikunterricht hatten und sich zumindest rudimentär mit Funk beschäftigt haben, ein Selbstläufer. Die Betriebskenntnisse und Vorschriften hingegen sind ein – man verzeihe mir die Wortwahl – Brainfuck. Stumpfes Auswendiglernen von Bandgrenzen, Landeskennern und anderen irrelevanten Nachschlagfakten in einem nicht unerheblichem Umfang. Kurz gesagt: Der Technikteil der Klasse E ist ein Selbstläufer; Betrieb und Vorschriften hingegen sind der Teil, der aufwendig auswendig gelernt werden muss. Und genau diese Prüfungsteile sind es, die in der N-Prüfung im vollen Umfang geprüft werden. 90 % des Aufwandes einer E-Lizenz. Aber auch 90 % der Rechte? Weit gefehlt!

…kleiner Mehrwert der N-Klasse gegenüber dem Jedermannfunk

Die N-Lizenz orientiert sich klar am Jedermannfunk: Das 10-Meter-Band analog zum CB-Funk, das 2-Meter-Band analog zu Freenet, das 70-Zentimeter-Band analog zu PMR446 bzw. LPD433. Doch auch innerhalb der sehr zum JMF ähnlichen Bänder hat der N-Lizenzierte kaum mehr Rechte. Mit 10 Watt EIRP ist eher Kurzstreckenfunk als Ortsfunk zu schaffen, die größere Bandbreite der Bänder ist eher schädlich als hilfreich und die zusätzlichen Betriebsmodi völlig irrelevant. Tatsächlich kommen für die N-Klasse fast nur Handfunkgeräte infrage. Stations- und Mobilgeräte mit ihren von Haus aus größeren Sendeleistungen kommen in Kombination mit den real existierenden Antennen mit entsprechenden Gewinnen sehr schnell über 10 Watt EIRP. Beispielsweise kann mein Hauptfunkgerät für Lokalfunk (Icom ID-5100, mind. 5 Watt PEP) mit der Antenne (Komunika GP-Mini-Dual, 5,5 dBi) gar nicht mit max. 10 Watt EIRP senden. Selbst ein Handfunkgerät mit 8 Watt PEP erreicht selbst mit Stummelantennen (ideal: 5,15 dBi, realistisch 2 bis 3 dBi) mehr als 10 Watt EIRP und müsste heruntergeregelt werden.

Statt Klasse zum Einstieg eher Klasse zur Abschreckung?

Dennoch ist vorgesehen, dass man sich „hochprüft“, also für die E- oder gar A-Lizenz zunächst die relativ nutzlose N-Prüfung besteht. Und diese ist nicht nur mit erheblichem Aufwand verbunden und gar nicht mal so günstig, sondern könnte im Betrieb sogar eher frustrieren statt zu motivieren. Funk macht nur dann Spaß, wenn beide Seiten etwa gleich „stark“ sind und somit eine gegenseitige Verständigung stattfindet. Versucht nun ein N-Lizenzierter mit seinen marginalen 10 Watt EIRP in eine Ortsrunde einzusteigen, für deren Betrieb mindestens 40 Watt EIRP notwendig sind, kann dies schnell zu Frust führen (Ja, es ist theoretisch nur eine S-Stufe. Und theoretisch sind Theorie und Praxis dasselbe). Denn der N-Lizenzierte kann zwar die größeren Stationen hören, wird jedoch nur unsauber aufgenommen, hat also ständig damit zu kämpfen, sich zu wiederholen, überdeutlich zu sprechen und mit wachsendem Unmut auf der Gegenseite zu kämpfen, denn schwieriger Empfang strengt auch diese an. Und für den reinen Empfang hätte er nun wirklich nicht um die 100 € Kosten für Prüfung und Spesen, einen halben Urlaubstag, eine frühmorgendliche Anfahrt in eine weit entfernte Stadt, den Prüfungsstress sowie das wochenlange Lernen in Kauf nehmen müssen. Von den laufenden Kosten für die Rufzeichenzuteilung sowie die Aufgabe einer gewissen Anonymität durch die Rufzeichennennung zu schweigen. Viel Aufwand, wenig Nutzen. Die einen könnten hier weitermachen, die anderen frustriert hinschmeißen. Auf der N-Lizenz bleiben dürften hingegen die wenigsten.

Eine andere Meinung vertritt Arthur Konze

Kürzlich hat der professionelle YouTuber Arthur Konze ein Video und Plädoyer zur neuen N-Klasse veröffentlicht, in welchem er die Rechte dieser neuen Einsteigerklasse mit denen des unlizenzierten Jedermannfunks vergleicht.

Hierbei geht er auf 4 wesentliche Aspekte ein:

  • Die Sendeleistungen
  • Die Bandbreiten
  • Die Betriebsarten
  • Die Infrastruktur

Daneben verliert er noch ein paar Worte zu Nebenschauplätzen wie QSO-Partnern und Vereinsstrukturen.

Herr Konze vertritt die Meinung, dass sich die N-Lizenz klar lohnt gegenüber dem Jedermannfunk.

Die Sendeleistungen

Die erlaubte Sendeleistung in der N-Lizenz ist klein. Sehr klein.

Im VHF- und UHF-Bereich liegt sie mit 10 Watt EIRP durchaus signifikant über denen von Freenet (1,64 W EIRP) und PMR446 (0,82 W EIRP), doch sie ist nach wie vor zu gering, um auch nur eine größere Stadt abzudecken. Selbst Repeater, sofern diese in der selben Stadt stehen, sind mit 10 Watt EIRP oft schwierig zu erreichen. Das Kieler Relais DB0IL arbeitet laut Selbstauskunft beispielsweise mit ca. 25 Watt EIRP und ich selbst erreiche es mit der kleinsten Leistungsstufe meines Hauptfunkgerätes mit 15 Watt EIRP kaum, sondern schalte stets hoch auf mittlere Leistung mit etwa 45 Watt EIRP. Das sowohl im Empfang als auch in den Aussendungen schwächere Relais DM0KIL ist aus dem Kieler Norden sogar mit 45 Watt EIRP mitunter schwierig zu erreichen. Mit 10 Watt EIRP kommt man nicht allzu weit.

Im HF-Bereich steht CB-Funkern sogar eine größere maximale Sendeleistung zur Verfügung. Mobil oder mit Standortbescheinigung dürfen sie 12 Watt PEP abstrahlen, was selbst unter Verwendung einer einfachen Dipolantenne bereits etwa 20 Watt EIRP sind, also das Doppelte der N-Lizenz. Von der möglichen Verwendung von Richtstrahlern ganz zu schweigen. Hier kommt man durchaus mal in 3-stellige Bereiche.

Fest steht also: Mit der N-Lizenz kann maximal ortslokaler Funkverkehr abgewickelt werden. Es ist mit der N-Lizenz nicht möglich, stadtweit zu kommunizieren, geschweige denn Weitverkehrsverbindungen herzustellen. Dies schränkt im Übrigen auch die Relevanz der folgenden Aspekte wie die der Bandbreite oder der Betriebsarten ein, denn wer nicht weit kommt, braucht auch nicht auf Kollisionen zu achten und wird keine exotischeren Betriebsmodi verwenden.

Die Bandbreiten

Der Amateurfunk bietet mit seinen deutlich größeren Bandbreiten sehr viel mehr Raum zur kollisionsfreien Kommunikation. Das klingt erst einmal gut, doch wer schonmal den Scanner seines CB-Funkgerätes angeschmissen hat, wird schnell feststellen: Statt stolzer 80 Kanäle (davon 40 nur in Deutschland) hätten es auch problemlos 8 getan. Überfüllt ist das Band sicher nicht. Und das gilt genau so im Amateurfunk, wo man sich nun nicht gerade regelmäßig auf die Füße tritt in der Frequenznutzung. Im Gegenteil ist es sowohl im Jedermannfunk als auch im Amateurfunk mitunter aufwendig, überhaupt eine „gearbeitete“ Frequenz zu finden, weshalb Scanner oder besser noch Spektren oder Wasserfälle unerlässlich sind. Weniger ist manchmal mehr. Hier in Kiel sind maximal eine Handvoll „QRGs“ überhaupt je in Betrieb. Da braucht es keine Hunderte von theoretischen Kanälen.

Die Betriebsarten

Klar, der Amateurfunk erlaubt als Experimentalfunk quasi jede erdenkliche Betriebsart. Einzige Einschränkung ist die, dass nicht verschlüsselt oder verschleiert werden darf. Doch im 2m/70cm-Lokalfunk wird (anders als im DX) ohnehin kaum etwas anderes als FM „gearbeitet“. Im HF-Bereich ist noch SSB für Sprechfunk drin, doch auch dieser ist im Jedermannfunk-Äquivalent CB durchaus gestattet. Selbst Digimodes sind auf ausgewählten CB-Kanälen erlaubt. Der Mehrwert des Amateurfunks ist hier lediglich theoretischer Natur. Denn FM im VHF/UHF-Bereich und zusätzlich SSB im HF-Bereich, das sind die Modi, die auch im Amateurfunk mit geringer Leistung und ohne ambitioniertem Antennenaufbau zum Einsatz kommen.

Die Infrastruktur

Im Amateurfunk existieren anders als im Jedermannfunk, wo dies mit Ausnahme des CB-Funks im HF-Bereich nicht erlaubt ist, keine Relais oder Netzwerke wie DMR, Wires-X/YSF, D-Star oder Relikte wie Echolink. Wenngleich im CB-Funk Gateways theoretisch erlaubt sind, haben diese ebenso wie 10-Meter-Amateurfunk-Relais höchstens eine stark untergeordnete Bedeutung. Im 70-Zentimeter- und teilweise 2-Meter-Band sind die interessierten Relais vorzufinden. Und dies gibt es im Jedermannfunk tatsächlich praktisch gar nicht. Denn hier sind gemäß Allgemeinverfügungen lediglich Handsprechfunkgeräte zugelassen. Ob ein stationäres, automatisch arbeitendes Relais hiervon erfasst ist…?

Doch um mit 10 Watt EIRP ein Relais zu „arbeiten“, dafür muss dieses sich schon in relativ naher Umgebung befinden. In Kiel gibt es 2 Relais, hier ist für einen Teil der Funkamateure der Betrieb mit 10 Watt EIRP durchaus noch denkbar. Doch in anderen Städten wie Neumünster existiert schon kein Relais mehr. Und dass von Neumünster aus das Relais Armstedt mit 10 Watt EIRP erreicht wird, ist eher unwahrscheinlich. Wer noch weiter außerhalb wohnt, kann sich wohl kaum Hoffnung machen, ein gut erreichbares Relais vorzufinden.

Was DMR und andere digitalen Betriebsarten angeht, so steht dem N-Lizenzierten die Möglichkeit offen, einen Hot-Spot zu betreiben und somit an den weltweiten Netzwerken teilzunehmen. Ob man bei einer 2 Meter weiten Funkverbindung zwischen Funkgerät und Hot-Spot und ab dort ordinärem VoIP über das Internet noch von Funk oder gar Amateurfunk sprechen kann, da scheiden sich die Geister. Und ob das DMR-Netzwerk für Leute, die ausschließlich via Hot-Spot teilnehmen können, keine Möglichkeit für sinnvolle Experimente im Amateurfunk haben und dafür dann erhebliche Aufwände und Investitionen tätigen müssen, tatsächlich auch inhaltlich interessanter ist als ein Discord-Server freier Wahl, das kann auch bestritten werden.

Der Nutzen der N-Lizenz erstreckt also nur das unmittelbare Umfeld um die Relais oder beschränkt sich nur auf die Hot-Spot-Nutzung.

QSO-Partner, Vereinsstrukturen, Nutzerzahlen…

Herr Konze macht in seinem YouTube-Video zwei Annahmen, denen ich entschieden widerspreche. Erstens, dass Nutzer des Jedermannfunks in irgendeiner Weise erfassbar sind durch Mitgliedschaften in antiquierten CB-Clubs oder Facebook-Gruppen. Zweitens, dass es zum Funken dazugehört, sich in irgendwelchen Vereinsmeiereien zu verlieren.

Gerade dadurch, dass der Einstieg in den Jedermannfunk mit keinerlei Hürden verbunden ist und auch eine gewisse Anonymität gewährt, werden eher die wenigsten aktiven Funker sich in irgendwelchen Vereinen betätigen und damit in der Zahl erfassen lassen. Ich selbst bin übrigens auch in keinem Funkverein und dadurch lediglich über die Rufzeichenzuteilung erfasst, wobei hier sehr viele Karteileichen existieren, die schon ewig nicht mehr aktiv gefunkt haben. Hier in Kiel existierten mindestens zwei rege Freenet-Funkrunden, von denen in der einen dann nach und nach die Teilnehmer ihre Lizenz machten. Doch es war und ist auch immer noch regelmäßig etwas los im Freenet, ohne dass auch nur ein Mitglied dieser Funkrunden irgendwo registriert ist oder sich in einem Verein betätigt. Somit sind Erfassungen von Nutzerzahlen nur mit äußerster Vorsicht zu genießen.

Im Gegenteil aber findet man im Jedermannfunk entgegen Herrn Konzes Aussage relativ schnell QSO-Partner. Denn durch die überschaubare Zahl an Kanälen braucht es keine Koordination oder Zufallstreffer. Wer nur 6 Kanäle im Freenet zur Verfügung hat, braucht nicht lange zu suchen, um auf die durchaus existierenden Funkrunden oder zufällige Gelegenheitsnutzer zu stoßen. Ob Fahrschulen und Bauarbeiter hingegen immer direkt Lust auf ein QSO mit einem Hobbyfunker haben, darf hingegen bezweifelt werden. Doch gerade in Kiel findet man auf PMR446 durchaus auch einige Sportsegler, die durchaus mal ins Gespräch miteinander kommen.